Ökologie in Erzähltexten der 1970er und 80er Jahre

SoSe 2017 Hauptseminar “Ökologie in Erzähltexten der 1970er und 80er Jahre”

Historischer Rahmen

Das Jahr 1970 wurde zum ersten Europäischen Naturschutzjahr erklärt, 1971 verabschiedete die Bundesregierung das erste Umweltprogramm. „Ökologie“ wurde zum Synonym für Umweltschutz und Umweltverträglichkeit und zur Leitdisziplin einer neuen Umweltbewegung. Es bildete sich – zunächst als Subkultur – eine ‚Ökoszene‘ heraus, die politisch mit der Partei „Die Grünen“ eine Stimme bekam (Einzug in den Bundestag 1983). Die gesellschaftliche Umweltdebatte wurde bestimmt von Themen wie der Ölkrise (1973/74 und 1979/80), dem Waldsterben und der Nutzung der Kernenergie (insbesondere natürlich ab 1986 nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl). Mit dem Fall der Mauer und der deutschen Wiedervereinigung (1989/90) verschob sich das gesellschaftliche Interesse zu großen Teilen auf andere Problemstellungen. Umweltpolitik wurde mit der Idee der „Nachhaltigen Entwicklung“ (nach dem  Brundtland-Bericht von 1987) zunehmend zu einer Politik, die ökologische und ökonomische Aspekte gleichermaßen im Blick behalten sollte.

„Literatur nach der ‚ökologischen Epochenschwelle‘“ (Bühler)

Ökologie im Sinne von Umweltschutz und Umweltverträglichkeit fand als Thema Platz in der Literatur dieser zwei Dekaden – einer engagierten und politisch motivierten Literatur, die häufig Merkmale der phantastischen Literatur oder der Science-Fiction erkennen lässt, so bspw. die Zukunftsromane „Der Untergang der Stadt Passau“ (1975) von Carl Amery oder „Die Enkel der Raketenbauer“ (1980) von Georg Zauner. Auch (post-)apokalyptische Szenarien sind zu finden, wie zum Beispiel in „Die Rättin“ (1986) von Günter Grass. „Der Störfall“ (1987) von Christa Wolf wiederum ist als unmittelbare Reaktion auf Tschernobyl entstanden.

Eine Liste der vorzubereitenden Texte für das Seminar wird ab 01.03.2017 im kommentierten Vorlesungsverzeichnis zur Verfügung stehen.

Das Seminar

Im Seminar werden wir uns einen Überblick über die erzählende Umweltliteratur der 1970er und 1980er Jahre erarbeiten und die ausgewählten Texte genau analysieren. Darüber hinaus sollen auch zwei weiterführende Fragen geklärt werden: 1. Welche literarischen Traditionslinien sind für die Idee einer schützenswerten Umwelt bzw. einer schützenswerten Natur zu erkennen? 2. In welchen Traditionslinien werden Fragen der Ökologie in der Literaturwissenschaft behandelt? Neben einer historischen Kontextualisierung der literarischen Texte und ihrer Motive soll also auch die Genese eines heterogenen Forschungsfeldes betrachtet werden, das heute unter der Bezeichnung „Ecocriticism“ firmiert.

Erwartungen und Vorbereitung

Erwartet wir die regelmäßige Teilnahme und engagierte Mitarbeit sowie die Übernahme einer Moderation oder eines Impulsreferates. Es werden gute Kenntnisse in der Erzähltextanalyse erwartet – sonst gibt es keine besonderen Voraussetzungen. Der Lektüreaufwand wird hoch sein. Für Lehramtsstudierende: Das Seminar behandelt keine Fragestellungen, die üblicherweise als relevant für das Staatsexamen betrachtet werden. Das Thema hingegen ist für Schulkontexte sehr gut geeignet.

Zur Vorbereitung ist von Benjamin Bühler die kürzlich erschienene Einführung „Ecocriticism: Grundlagen – Theorien – Interpretationen“ (Stuttgart, J.B. Metzler Verlag, 2016) zu lesen, die nach Recherche im OPAC der UB und dem E-Medien-Login kostenlos als PDF verfügbar ist.